
Als Jugendliche war ich wenig spontan. Eigentlich musste immer alles im Detail geplant sein. Gerne auch schon Wochen im Voraus. Heute ist das anders und zu einem Großteil habe ich das auch meinen Reisen zu verdanken. Denn wer beim Backpacking plant, dem entgehen nicht nur die schönsten spontanen Erlebnisse. Er wird auch mehr als einmal erleben, wie die eigenen Pläne über den Haufen geworfen werden. In den vergangenen Wochen habe ich gelernt, dass man Planlosigkeit jedoch nicht mit Perspektivlosigkeit verwechseln sollte und letzteres auch schnell gefährlich werden kann.
Ich glaube es war irgendwann Anfang Mai. Es kristallisierte sich immer mehr heraus, dass ich meine Weltreise so schnell nicht werde fortsetzen können. Und dann bekam ich auch noch die Absage für einen Job, der wirklich spannend klang. Es war die einzige Stelle, auf die ich mich bis dato beworben hatte und es war damit auch mein einziger Anker, den ich für die kommenden Monate hatte. Durch die Absage brach also nicht nur ein potentieller Arbeitgeber für mich weg, sondern auch meine Perspektive. Ich hatte keine Ahnung mehr, was ich in den nächsten Monaten machen würde und befand mich in einer Art luftleerem Raum.
Das Gefühl, das sich dann einstellte, ist schwer zu beschreiben. Ein bisschen so, als schwimme ich im Meer und sehe beim Blick auf den Horizont nur endlose Weite. Es war kein Land in Sicht. Es gab keinen Anhaltspunkt, an dem ich mich orientieren, kein Ziel, auf das ich zusteuern konnte. Ich fühlte mich verloren. Schließlich mischte sich Traurigkeit dazu, weil nichts so zu klappen schien, wie ich das wollte. Und das erste Mal in meinem Leben konnte ich mir vorstellen, dass Arbeitslosigkeit krank machen kann.
Ich hatte das Glück, dass ich kurz nach Beginn dieser Phase ein Karriere-Coaching anfangen durfte und somit an einer neuen Perspektive arbeitete. Diese Möglichkeit hat nicht jeder und ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die Freiheit der Planlosigkeit und die Gefahren der Perspektivlosigkeit nicht nur oft ganz nah beieinander liegen, sondern von vielen auch verwechselt werden. Ich selbst habe lange geglaubt, dass so ein Leben ohne Plan doch ganz entspannt sein kann. Jetzt habe ich am eigenen Leibe gespürt, dass es einen sehr großen Unterschied macht, ob man keinen Plan oder keine Perspektive hat.
Wenn ich täglich meinem Job nachgehe, dann habe ich vielleicht keinen Plan, ob ich diesen auch in einem Jahr noch ausüben möchte. Aber ich habe eine Perspektive indem ich weiß, dass ich die Wahl habe. Ich weiß an einem Großteil der Tage, warum ich morgens aufstehe und dass da Etwas kommt, auf das ich hinarbeite. Wenn dieses Etwas fehlt, dann fehlt die Perspektive. Dann paddle ich dauerhaft in den endlosen Tiefen des Meeres umher, was selbst der beste Schwimmer nur eine begrenzte Zeit durchhalten kann.
Wie so oft in Gefahrensituation ist auch hier der Schlüssel zum Erfolg, ruhig zu bleiben. Es bringt nichts, nun krampfhaft zu versuchen, vorwärts zu kommen. Stattdessen kann ich jedem raten, der sich im Rahmen seiner beruflichen Neuorientierung, aber auch in jeder anderen Lebenssituation, einmal diesem Gefühl der Perspektivlosigkeit ausgesetzt fühlt, erstmal innezuhalten und die Situation zu analysieren. Wodurch wurde das Gefühl der Perspektivlosigkeit ausgelöst? Lässt sich die Lücke vielleicht durch etwas anderes, neues füllen? Es muss nicht wie bei mir ein Coaching sein, um eine neue Perspektive zu schaffen. Es ist einfach nur wichtig, aktiv etwas zu tun, um die Situation zu verändern. Allerdings nicht überstürzt, sondern überlegt. Probiert euch vielleicht in einem neuen Tätigkeitsfeld aus, verbringt ein paar Wochen in einer anderen Stadt oder lernt ein neues Hobby. Jeder neue Impuls kann etwas in uns auslösen und nach und nach wird sich die Perspektive für die kommende Zeit am Horizont abzeichnen.
Ohne Perspektive im Leben geht es also dauerhaft nicht gut. Ich bin zum Glück aus der Perspektivlosigkeit recht schnell zurück in die Planlosigkeit gerutscht. Das bedeutet, dass ich auf die Frage, wo ich mich in einem Jahr sehe, immer noch keine Antwort habe. Das bedeutet aber auch, dass mich das aktuell nicht mehr beunruhigt, weil ich eine grobe Richtung habe, in die ich schwimmen werde. Ich kann das Land schon sehen und ob ich dann letztlich in Indien oder vielleicht doch in Amerika ankommen werde, das wird sich noch zeigen. Das Wichtigste ist im Moment nur, dass es Land ist.
1 Kommentar
1 Pingback