Corona hat das Leben vieler Menschen durcheinandergebracht. Dazu gehört vor allem, dass uns der soziale Kontakt zu unserer Familie und unseren Freunden in der bisher bekannten Form genommen wurde. Als Reaktion darauf erlebten virtuelle Kommunikationsmedien einen zuvor nie dagewesenen Hype und diverse Veranstaltungen wurden in die Online-Welt verlegt. So hat es sich auch in meinem Freundeskreis schnell etabliert, dass wir einmal die Woche zu einem virtuellen Treffen zusammenkamen, um uns auszutauschen. Im Hintergrund lief als Aufhänger „Germany’s Next Topmodel“, aber in erster Linie war uns natürlich wichtig zu erfahren, was es bei jedem so Neues gab.

Am Anfang war ich geradezu euphorisch. Ich erzählte von den Ratgebern, die ich las, von den Podcasts, die ich hörte, von den Gedanken, die mich beschäftigten und vom Sport, den ich machte. Es gab zwar keine wirklichen Neuigkeiten zu berichten, aber ich hatte das Gefühl, meine Zeit gut zu nutzen. Doch als eine Woche nach der nächsten verging, merkte ich, dass sich das, was ich zu erzählen hatte, wiederholte. Denn das war nun einmal das, was ich Tag für Tag größtenteils tat: lesen, zuhören, nachdenken und Sport. Und obwohl ich bei jedem dieser Dinge immer wieder etwas Neues über mich lernte, fühlte ich mich zunehmend unwohler, sie vor meinen Freunden aufzuzählen. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es nicht von Bedeutung war und auf andere so wirken musste, als würde ich nicht vorankommen. Und so etwas wie ein schlechtes Gewissen, dass ich keine sichtbaren Erfolge bei der Suche nach dem Traumjob vorweisen konnte, machte sich breit.

Vermutlich liegen die Gründe dafür in unserer heutigen Gesellschaft. Es wird erwartet, dass wir unsere Zeit effizient und effektiv nutzen und am Ende etwas Messbares dabei herauskommt. Unsere Gedanken und unser neugewonnenes Wissen gewinnen also, gesellschaftlich gesehen, erst an Wert, wenn sie sichtbar sind und wir damit einen Mehrwert für ebendiese Gesellschaft generieren. Rational betrachtet weiß ich, dass ich in den vergangenen zwei Monaten ein ganzes Stück vorangekommen bin. Ich habe viel über mich selbst gelernt, habe meine Prioritäten im Leben erarbeitet und erste Themenfelder definiert, in denen ich mir vorstellen könnte zu arbeiten. Da aber bisher kein konkretes Ergebnis in Form eines Jobs dabei herausgekommen ist, merke ich, dass es mir (noch) schwerfällt, mich von den Erwartungen der Gesellschaft zu befreien. Stattdessen verspüre ich immer mal wieder einen Druck, der mich ermahnt, dass es doch nicht so schwer sein kann herauszufinden, was ich will. Manchmal kommt dieser Druck von innen, manchmal auch von außen durch das, was andere Menschen bewusst oder unbewusst zu mir sagen.

In meinem letzten Job war ich es gewohnt, unter Druck zu arbeiten und in einem gewissen Maße hat mich dieser sogar motiviert. Jetzt, bei der beruflichen Neuorientierung, ist es ein einziges Hindernis. Denn der Druck führt bei mir zu endlosen Gedankenschleifen, die zu keinem Ergebnis führen und mich gleichzeitig noch davon abhalten, weiter an meinem Ziel zu arbeiten. „Gut Ding will Weile haben“ heißt es so schön im Volksmund. Nicht anders ist es bei der beruflichen Neuorientierung, auch wenn ich natürlich weiß, dass man vom Nachdenken keinen Blumentopf gewinnt.

Ein Allerheilmittel gegen das Gefühl des Drucks habe ich leider noch nicht gefunden. Ich versuche in das Leben zu vertrauen und darauf, dass all die kleinen Schritte, die ich gehe, am Ende zum Ziel führen werden. Wenn die Gedankenschleifen mal wieder nicht enden wollen, dann schreibe ich sie nieder und ermahne mich, dass ich den Weg in meinem eigenen Tempo gehen muss. Denn nur so kann ich mein volles Potential entfalten und treffe keine überstürzten Entscheidungen, bei denen ich nach kurzer Zeit wohl wieder am gleichen Punkt stehen würde wie jetzt.

Vielleicht ist es nur meine subjektive Wahrnehmung der Gesellschaft, aber eine berufliche Neuorientierung wird meines Erachtens immer noch häufig belächelt. Schließlich hat man doch eine gute Ausbildung, mit der man seinen Lebensunterhalt verdienen könnte. Dass es aber vorkommen kann, dass einen mit Anfang 30 nicht mehr erfüllt was man nach dem Abitur noch für richtig hielt, hat meiner Meinung nach eine nicht zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit. Und so wünsche ich mir mehr Wertschätzung für persönliche Weiterentwicklung. Denn letztlich lernt man in diesen Phasen oft weit mehr, als in dem ein oder anderen Job. Es gibt dafür nur leider kein Zeugnis.